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Kateryna Mishchenko
Leider muss die ursprünglich geplante Lesung mit dem bosnischen Schriftsteller Dževad Karahasan entfallen. Der 1953 in Duvno/Jugoslawien geborene Autor ist am 19. Mai 2023 verstorben. Eine Lesung wird trotzdem stattfinden. Seine Münsteraner Übersetzerin Katharina Wolf-Grieshaber wird im ersten Teil des Abends einen Ausschnitt aus dem letzten Buch des Autors lesen, das unter dem Titel „Einübung ins Schweben“ von der Belagerung Sarajevos in den Jahren 1992 bis 1996 erzählt.Das Thema Krieg steht auch im Mittelpunkt einer Textsammlung, die unter dem Titel „Aus dem Nebel des Krieges“ von Katharina Raabe und der ukrainischen Autorin Kateryna Mishchenko herausgegeben worden ist. Am Freitag, dem 23. Juni 2023 um 20 Uhr im Theatertreff (Neubrückenstraße 63) wird Frau Mishchenko Auszüge aus dieser facettenreichen Anthologie präsentieren. „Ich muss von neuem versuchen, den Menschen und das Menschliche in einem konkreten historischen Moment zu verstehen – das ist es, was die lange Nacht des Vernichtungskriegs für mich bedeutet“ – so erklärt die unkrainische Autorin und Mit-Herausgeberin die Intention des Buches.
Kateryna Mishchenko, geboren 1984, ist Essayistin, Übersetzerin und Verlegerin aus Kiew. Sie ist zurzeit Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin. Vor acht Jahren hat sie, ebenfalls zusammen mit Katharina Raabe, die Textsammlung „Testfall Ukraine. Europa und seine Werte“ herausgegeben.
Der Titel ihrer neuen, sehr facettenreichen Anthologe zitiert eine These des preußischen Militärwissenschaftlers Carl von Clausewitz. In seinem zwischen 1832 und 1834 posthum herausgegebenen Buch „Vom Kriege“ heißt es: „Der Krieg ist das Gebiet der Ungewißheit; drei Vierteile derjenigen Dinge, worauf das Handeln im Kriege gebaut wird, liegen im Nebel einer mehr oder weniger großen Ungewißheit.“
Die meisten der in der Testsammlung vertretenen Autorinnen und Autoren sind zwischen dreißig und vierzig Jahren alt. Die meisten von ihnen haben auch schon an den Maidan-Protesten im Dezember 2013 teilgenommen. In der Anthologie gibt es ein „sinnbildliches“ Foto, das ein Doppelfenster zeigt, das sich von unten bis oben mit Bücherstapeln gegen mögliche Granateinschläge schützt. Axel Rühle in der Süddeutschen Zeitung hält diese Anthologie für einen großen Fund: „Gerade weil diese Texte alle so unmittelbar sind, geschrieben aus den Ruinen des bisherigen Lebens, kann man sich nur wundern über deren Dichte. Es ist eines dieser Bücher, die ihre Zeit auf jeder Seite ein- und auszuatmen scheinen, als seien sie die Lunge, in der der Sauerstoff unserer Gegenwart verarbeitet wird.“