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Detlef Opitz

Detlef Opitz, der im Jahr 1996 mit seinem Luther-Roman "Klio, ein Wirbel um L." erhebliches Aufsehen in der literarischen Welt erregt hatte, folgt in seinem neuen Buch den 200 Jahre alten Spuren eines Mannes, der die Bücher mehr geliebt hat als das Leben. Auf der Basis verschollen geglaubter Gerichtsakten rollt Opitz den Fall des wegen Mordes verurteilten bibliomanischen Pfarrers Johann Georg Tinius wieder auf. Dieser Buchtrinker und -esser finanzierte seine zwischen 40000 und 60000 Bänden umfassende Bibliothek damit, daß er zweimal heiratete und in ganz Europa mit wertvollen Doubletten handelte. Er geriet in den Verdacht, brutale Morde begangen zu haben, um seiner Bücherleidenschaft frönen zu können. Aber er leugnete die ihm unterstellten Taten mit einer Hartnäckigkeit, die nicht davor zurückschreckte, Freunde und Bekannte um falsche Zeugnisse zu bitten. Tinius verstrickte sich immer mehr in seinen Verteidigungsbemühungen, und bald hatte er niemanden mehr, der für ihn eintrat. Tinius wurde im Jahr 1813 rechtskräftig verurteilt, versuchte noch im Gefängnis, seine Unschuld zu beweisen, aber seine Bibliothek schwand dahin, aus ihrer Versteigerung erwarb auch Goethe etliche Titel. In Detlef Opitz' sprachmächtigem Buch stößt ein "heutiger" Bücherliebhaber auf die Spuren des legendären Magister Tinius und vergräbt sich immer tiefer in die Ungereimtheiten und Widersprüche der bibliomanischen Mordgeschichten.

Detlef Opitz, der für eine Marbacher Ausstellung "Vom Schreiben" einen Aufsatz mit dem bezeichnenden Titel "Schicksale Scheusale Labsale - Bücher" verfasst hat, mischt in seinem Roman drei Ebenen, die historische des Tinius, die Gegenwartsebene des Spurensuchers - hier spielt sogar der notorische Büchersammler Karl Lagerfeld eine Rolle - sowie eine dokumentarische Ebene. Er erweist sich dabei als ein genialer Sprachspieler und -imitator: Er springt vom Kanzleideutsch des 18. Jahrhunderts in die aktuelle Gegenwartssprache und schreibt auf diese Weise nicht nur eine bizarre Kulturgeschichte der Bibiophilie, sondern demonstriert den Glanz und den Eigensinn einer Sprache, an der auch in Zukunft - hoffentlich - alle Kultusministerkonferenzen und Rechtschreibkommissionen begierig scheitern werden.