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Michael Kumpfmüller

Eines der zugleich leisesten und eindringlichsten Romane dieses Bücherherbstes hat der 1961 geborene Michael Kumpfmüller geschrieben. Am Dienstag, den 22 November wird er um 20 Uhr im Lesesaal der Stadtbücherei aus seinem Roman „Die Herrlichkeit des Lebens“ lesen. Wie Sibylle Lewitscharoff in ihrem „Blumenberg“ hat auch Kumpfmüller eine Figur der europäischen Geistes- und Literaturgeschichte zum „Helden“ eines Romans gemacht. Der Roman widmet sich dem letzten Lebensjahr von Franz Kafka, also der Zeit von Juli 1923 bis Juni 1924. Aus der Zeit kurz vor seinem Tod ist ein gewaltiger Satz überliefert, den Kafka seinem Arzt entgegengehalten habe: „Töten Sie mich, sonst sind Sie ein Mörder“. Aber Kumpfmüller erzählt dieses letzte Jahr weniger als eine Krankheitsgeschichte denn als eine Liebesgeschichte. Im Ostseebad Müritz lernt Kafka Dora Diamant kennen, die ihn bis zu seinem Tod begleitet. Was Kumpfmüller in seiner Nachbemerkung mitteilt, kann erschüttern: „Dora Diamant hat im Sommer 1924 zwanzig Notizbücher und 35 Briefe Kafkas mit nach Berlin genommen, die im August 1933 von der Gestapo konfisziert werden und seitdem als verschollen gelten.“

Kumpfmüller hat seinen Roman streng komponiert. Er besteht aus drei, jeweils in zwölf Kapitel gegliedertenTeilen: „kommen, „bleiben“, „gehen“. Kumpfmüller weiß alles über Kafkas letztes Lebensjahr, aber verrät nichts. Die schwebende Diskretion seines Erzählens bewirkt, dass die spezifische Liebesgeschichte zwischen „dem Doktor“ Frank Kafka und der Köchin Dora Diamant durchsichtig wird für „alle“ tragischen Liebes- und Leidgeschichten, und umgekehrt: dass von diesen universellen Geschichten eine scheue Neugier sich entwickelt für diese einzigartige Begegnung: „Sie hält ihn für Mitte dreißig, was bedeutet, dass er etwa zehn Jahre älter sein müsste als sie. Er ist nicht gesund, hat er gesagt, die Spitzen seiner Lungen haben sich erkältet, deshalb das Meer und das Hotel im Wald; nur weil er seit Jahren nicht gesund ist, hat sie ihn getroffen. Es ist sein Mund, das Reden, das wie ein Bad ist, wie er sie in Ruhe durchdringt, er sieht das Fleisch, unter der Haut das Beben, das Zittern, und alles ist ihr recht.“ So wird Dora dem Kranken zu einem pulsierenden Beweis dafür, dass es doch so etwas wie die Herrlichkeit des Lebens gibt.
Im Sanatorium Kierling beginnt Kafka noch damit, die Korrekturfahnen zu seinem Erzählungsband „Der Hungerkünstler“ zu lesen. Aber er kann nicht mehr sprechen. Mit seiner Umgebung kommuniziert er nur noch mit „Gesprächszetteln“. Und dann geht es dem Ende zu: „Stunde um Stunde sitzt sie da, wie erstarrt, wie im Inneren der Zeit, die rein und leer ist. Bitte nicht, sagt sie. Hab keine Angst. Ich bin da. Hört er sie überhaupt noch?“

Die Neue Zürcher Zeitung voller Respekt: „Kumpfmüllers erstaunliches Buch über die letzte Liebe Kafkas ist so zauberhaft und exakt bis ins kleinste Detail, weil es gründliche Recherche sorgfältig mit Fiktion kombiniert und beide zu einem sanften und trockenen Einklang bringt.“