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Georg Klein und Katrin de Vries

Der Literaturverein Münster ist für die literarischen Veranstaltungen verantwortlich, die seit Mitte Januar im Wechsel mit kabarettistischen Abenden auf die skulptur projekte münster 07 vorbereiten. Am Donnerstag, den 1. März werden um 20 Uhr in der projekt bar(Rothenburg 30)zwei Autoren lesen, die sich auf je unterschiedliche Weise mit Gegenständen und Methoden der bildenden Kunst auseinandergesetzt haben: Georg Klein und seine Ehefrau Katrin de Vries.

„Die Sonne scheint uns“ - so heißt der letzte Roman des 1953 in Augsburg geborenen, heute in Ostfriesland lebenden Georg Klein, der vergleichsweise spät debütierte, aber sofort im aktuellen Literaturbetrieb Sitz und Stimme erhielt - und mit dem Brüder-Grimm-Preis sowie dem Ingeborg Bachmann Preis ausgezeichnet wurde.

In jenem Roman lässt Klein fünf Mitarbeiter eines mysteriösen alten Mannes in einem Hochhaus nach einem verschollenen prähistorischen Kunstwerk suchen (das an die längst zu einem archaischen Kultobjekt gewordene Himmelsscheibe von Nebra erinnern mag). Die letzten Mieter haben das Gebäude zwar schon verlassen, ihre Spuren aber sind zurückgeblieben. Ursprünglich hatte an der Stelle dieses Gebäudes ein „Museum der Weltmirakel“ gestanden. Klein geht es aber nicht nur um die Suche nach einem Kunstwerk, sondern auch um das komplexe Kunstwerk des Suchens. Seine Prosa hält sich in welt- und trivialliterarischen Echoräumen auf. Auch in einer neuen, noch nicht veröffentlichten Erzählung ist jemand „mit etwas Künstlerischem zu Gange“. Ein „Schandwerker“ hat sich nicht weniger vorgenommen, als die Begriffe „Arbeit“ und „Ekstase“ in Form von Skulpturen zu personifizieren. Auch Georg Kleins neuer Roman, der in diesem Frühjahr erscheint, bestätigt, dass es längst so etwas gibt wie eine Georg-Klein-Country, in der unsere Wirklichkeit in wundersamen Metamorphosen bis zur Kenntlichkeit entstellt wird.

Katrin des Vries schreibt Theaterstücke und eine archaisch stilisierte Prosa, und zusammen mit der Zeichnerin Anke Feuchtenberger (die auch den Schutzumschlag von „Die Sonne scheint uns“ gestaltet hat) arbeitet sie an mehreren Comic-Projekten. Über „Die Hure H.“ hat die Süddeutsche Zeitung befunden: „Dieses Buch ist unvergleichlich. Das könnte es ihm schwer machen: Denn da es sich an nichts ein Beispiel nimmt und in keine Reihe tritt, muss der Betrachter und Leser sich den Weg in sein Inneres allein und ohne Hilfe bahnen. Schon wie diese beiden Dinge, Betrachten und Lesen, sich zueinander verhalten und wie man lesend sehen, sehend lesen soll, muss jeder für sich herausfinden. Literatur und Bild schließen sich in diesem Gemeinschaftswerk der Schriftstellerin Katrin de Vries und der Zeichnerin Anke Feuchtenberger zu etwas Neuem zusammen: einem veränderten Begriff dessen, was es heißt, zu „erzählen“.


Georg Klein


„Überbordend poetisch wird hier ein Zeitpanorama entfaltet, das die Unterwelt der großen, bösen Erzählungen der alten Männer mit den leuchtenden Farben des Sechziger-Jahre-Sommers verbindet. Kinder standen noch nicht unter Dauerobservanz, ihre Phantasien konnten, wenn man so will — und der Roman will es so — noch in aller Ruhe wuchern." Mit diesen Formulierungen hat vor ein paar Monaten die Jury des Leipziger Buchpreises ihre Entscheidung für Georg Kleins „Roman unserer Kindheit“ begründet. Am Dienstag, den 18. Mai wird um 20 Uhr 2010 im Lesesaal der Stadtbücherei der preisgekrönte Autor aus diesem Roman lesen.

Georg Klein - 1953 geboren in Augsburg, heute im ostfriesischen Ort Bunde lebend - hat vergleichweise spät debütiert, 1998 mit „Libidissi“. Es ist ein Roman, der am Beginn einer Reihe von Büchern steht, die triviale Genres wie die des Agenten- oder Horrorromans auf die raffinierteste Weise literarisch aufwerten.

Mit seinem neuen Roman hat Georg Klein erstmals autobiographisches Material verarbeitet. Aber er hat es nicht einfach literarisch „verdoppelt“, sondern – aus einer geheimnisvollen Erzählperspektive“ – heraufbeschworen. Dabei habe er, wie er in einem Interview bekannte, zwei „mächtige Versucher“ ausschließen müssen: „die populäre Zeitgeschichte und jenen Biographismus, der sich auf die Zeitgeschichte stützt wie auf eine Krücke. Ein solches Erzählen ordnet unsere Kindheit zum Beispiel platterdings bestimmten Dekaden zu.“ Georg Kleins radikal literarische Methode hat nichts mit einer nostalgischen Andenkensammlung zu tun. Für das Rilke’sche Land, das lange zögert, eh es untergeht, hat er ein „phantastisches“ Bild gefunden: „Vielleicht ist Kindheit das Atlantis unserer Seele. Alle wissen, dass Atlantis da war und glauben gerne, dass es in gewisser Weise weiter existiert, aber im Katalog der Reiseveranstalter lässt sich dieses Eiland nicht als planbarer Pauschaltrip buchen. Um nicht hilflos in den Wassern des Erinnerbaren herumzupaddeln, habe ich mich an das gehalten, was die meiste unerklärte Energie, das meiste schwarze Licht gespeichert hatte.“ Gerade weil Georg Klein so unerschrocken bei seiner ureigenen Kindheit bleibt, darf der Titel des Romans seine suggestive Allgemeingültigkeit beanspruchen.