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Petra Morsbach

Selten genug, dass einer Autorin innerhalb einer Woche zwei renommierte Literaturpreise verliehen werden. Noch seltener, dass sie zwischen den beiden Festakten zum Literaturverein Münster kommt. Bei Petra Morsbach ist das Fall.

Die 1956 geborene Autorin studierte in München und St. Petersburg. Danach arbeitete sie zehn Jahre als Dramaturgin und Regisseurin. Seit 1993 lebt sie als freie Schriftstellerin in der Nähe von München. Bisher schrieb sie mehrere von der Kritik hoch gelobte Romane. Ihr Werk wurde u.a. mit dem Marieluise-Fleißer-Preis, dem Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung und dem Jean-Paul-Preis sowie mit zahlreichen Stipendien ausgezeichnet. Am 12. November 2017 wird ihr bisheriges Gesamtwerk von der Stadt Bad Gandersheim mit dem den Roswitha-Literaturpreis ausgezeichnet, der als ältester deutscher Literaturpreis für Frauen gilt. In der Jurybegründung heißt es: „Die Prosa des Lebens wird in ihrer Poesie aber nicht aufgehoben, sondern konsequent vorgeführt.“ Ob Gasthaus oder Pfarrhaus, Ponyhof oder Künstlerdorf – tatsächlich beherzigt kaum jemand die Maxime, dem Dichter dürfe kein Milieu fremd sein, so konsequent wie Petra Morsbach. Für die Arbeit an ihrem neuen Roman, ihrem siebenten, recherchierte die Autorin über neun Jahre in zahlreichen deutschen Gerichten, unter anderem mehrere Male in Münster. Am Freitag, den 10. November wird sie um 20 Uhr im Lesesaal der Stadtbücherei aus dem Roman „Justizpalast“ lesen, für den sie am 5. November den diesjährigen Wilhelm-Raabe-Preis erhält. Der Roman erzähle, so die Jury, von dem „prekären Verhältnis zwischen Recht und Gerechtigkeit und davon, wie sich das normative Gefüge und die Individualität der Menschen im Justizwesen zueinander verhalten“.

Thirza Zorniger, die Protagonistin des Romans, stammt aus einer desaströsen Schauspielerehe und will für Gerechtigkeit sorgen. Sie wird Richterin im Münchner Justizpalast, doch auch hier ist die Wirklichkeit anders als die Theorie: Eine hochdifferenzierte Gerechtigkeitsmaschine muss das ganze Spektrum des Lebens verarbeiten, wobei sie sich gelegentlich verschluckt, und auch unter Richtern geht es gelegentlich zu wie in einer chaotischen Familie. „Justizpalast“ ist ein Roman über die Sehnsucht nach Gerechtigkeit, über erregte, zynische, unverschämte, verblendete, verrückte, verwirrte und verzweifelte Rechtssuchende sowie überlastete, mehr oder weniger skrupulöse, kauzige, weise, verknöcherte und leidenschaftliche Richter. Der Anspruch von Petra Morsbach besteht nun darin, das das Ganze als Modell des Lebens zu gestalten „mit dem feinen, aber nicht rechtskräftigen Werkzeug der Poesie.“ Befragt nach einem konkreten Vorbild für Thirza Zorniger, hat Petra Morsbach in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung die Antwort: „Nein, ich habe sie erfunden, mit nur einer Vorgabe: Sie durfte keiner Juristenfamilie entstammen, denn dann hätte sie nicht genügend über die Justiz gestaunt. So, wie es jetzt ist, kann der juristisch ahnungslose Leser mit Thirza in die Justiz hineinfinden“.




Zu den Elementarerzählungen der deutschen Literatur gehört sicherlich die Erzählung „Aus dem Bairischen Walde“ von Adalbert Stifter (1805 – 1868). In ihr beschreibt der österreichische Dichter einen Schneesturm, den er 1867 selber erlebt hat. Diese Erzählung in einen Spielfilm umgesetzt hat jetzt die Schriftstellerin Petra Morsbach. Als studierte Theaterwissenschaftlerin hat Morsbach viele Jahre als Regieassistentin und Dramaturgin gearbeitet; seit 1993 ist sie freie Autorin. Im Jahr 2013 ist sie mit dem angesehen Jean-Paul-Preis ausgezeichnet worden. In Münster war sie zuletzt mit dem Roman „Künstlerliebe“ zu Gast. „Der Schneesturm“ nun ist ein Autorenfilm im besten Sinne des Wortes geworden.

Im Herbst 1866 verbringt der Schriftsteller Adalbert Stifter – im Film gespielt von Christoph Maltz – einige Wochen im Bayerischen Wald, wie immer zu Gast auf dem Rosenberger Gut unterm Dreisesselberg. Als die Nachricht eintrifft, zu Hause in Linz sei seine Frau erkrankt, will er abreisen. Doch ein Schneesturm macht die Wege unpassierbar. Der nervöse, kranke Mann ist tagelang in seinem Domizil eingeschlossen. Gebannt und zunehmend geängstigt starrt er ins Flockengewirbel, hört den Wind im Dachstuhl dröhnen, friert, und er, der als Vielfraß bekannt ist, kann nichts essen, hat Alpträume.

Der historische Sturm war ein kräftiges, doch kein epochales Schneetreiben. Stifter selbst hatte die Gattin nach Linz geschickt, um seine Ruhe zu haben. In Linz aber gab es Cholerafälle, und es zog ihn durchaus nicht so stark dorthin, wie er behauptet. Er zögerte die Abreise sogar hinaus und verwirrte die Daten, um das zu verbergen. In gewisser Hinsicht ist der Schneebericht eine hinreißend gestaltete Rechtfertigung seines Fernbleibens durch höhere Gewalt. Der Film erweitert den Schneesturm-Bericht nach zwei Seiten, zum Realen und Idealen: auf der einen Seite durch die Erinnerungen, Ängste und Alpträume, die Stifters Beklemmung erklären mögen. Auf der anderen Seite durch eine Erzählung, die er in diesen Tagen entworfen haben kann: „Der fromme Spruch“, eine zarte Tragikomödie in bizarr förmlicher Sprache. Noch in dieser Zerrüttung schreibt der Dichter seine ebenmäßige, fragil majestätische Prosa. Und bis zuletzt bleibt er empfänglich für die Schönheit der Natur. Sie scheint in seinen Träumen auf und wird verzaubert erlebt, als einmal der Sturm ruht.

Die Süddeutsche Zeitung über Morsbachs „Der Schneesturm“: „Ein 56-Minuten langer, sehr poetischer Spielfilm, atmosphärisch dicht mit vielen langen, ruhigen Einstellungen, wunderbar stimmig und unbedingt sehenswert." Und die Mittelbayrische Zeitung hebt hervor. „Bildschön, mit Einfühlungsvermögen und Raffinesse. Christoph Maltz überzeugt von der ersten bis zur letzten Minute. Unglaublich schöne Bilder des winterlichen Bayerischen Waldes von Michael Wolf.“  (Mittelbayerische Zeitung)




Ob Reiterhof oder Gasthof, Opernhaus oder Pfarrhaus – kaum eine Autorin beherzt die Maxime, dass dem Dichter kein Milieu fremd sein dürfe, so konsequent wie die 1956 in Zürich geborene , heute in der Nähe von München le­bende Petra Morsbach. Am Montag, den 29. April 2013 wird sie um 20 Uhr im Lesesaal der Stadtbücherei aus ihrem neuen Roman lesen: »Dichterliebe«. Es ist eine Veranstaltung, die aus Mitteln des Förderprogramms »Grenzgänger« der Robert Bosch Stiftung unterstützt wird. Bereits der Romantitel mit seiner Anspielung auf Schumanns Vertonung von Heinrich Heine-Gedichten signalisiert, dass Petra Morsbach weiß, was sie tut. In ihrem 2006 erschienenen Essayband »Warum Fräulein Laura freundlich war« hat sie Über die »Wahrheit des Erzählens« nachgedacht: »Was macht unsere Sprache mit uns? (…) Warum hat es eine solche Bedeutung, wie wir unsere Erlebnisse erzählen, obwohl wir doch scheinbar reden können, wie’s uns passt? Nehmen wir mehr wahr, als wir wahr haben möchten?«
Das Sprachmilieu, das sie in »Dichterliebe« aufsucht, ist das eines im Ostfriesischen lokalisierten Künstlerdorfes« wie Schöppingen, in dessen Abgeschiedenheit Stipendiaten für eine Zeitlang mehr oder weniger ungestört an ihren Werken arbeiten können. Zeitlich ist der Roman angesiedelt in der frühen »Nachwendezeit«. Erzählt wird der Roman aus der Sicht des in der DDR einst gefeierten und vielfach ausgezeichneten Lyrikers »Henry« Steiger, der seinem alten Status hinterhertrauert, im Künstlerhaus nicht zu seinem Eigentlichen kommt, mit einer leidigen Auftragsarbeit seine Geldsorgen kaum verkleinern kann und seine Not durch ein exzentrisches Gehabe kompensiert. Aber plötzlich auflebt, als die junge Schriftstellerin Sidonie Fellgiebel – für Henry zunächst eine »Westschnepfe« – in dem Künstler­haus eintrifft. Petra Morsbach kennt ihre Kolleginnen und Kollegen, und was auf der einen Seite als die Geschichte einer tragikomischen Dichterliebe gelesen werden kann, ist auf der anderen Seite wahrnehmbar als die Historie des literarischen Ost-West-Milieus.
Über diesen – am Vorabend des 25. Jahrestages des Mauerfalls erscheinenden »originellsten Ost-Romans der Saison« schreibt Alexander Cammann in der »Zeit«: »Petra Morsbach kann zugleich erbarmungslos und mitfühlend mit Henry umgehen. Zudem gelingt ihr eine allgemeine Parabel auf die irdische Lächerlichkeit künstlerischer Selbstüberhöhung. Der Leser aber hat einen weiteren Schritt in der Historisierung öst­licher Erfahrung miterlebt.« Und: Er hat einen Einblick gewonnen in die einsame Arbeitswelt des Künstlers, bekommt eine Ahnung von dem existentiellen Preis, der ein gezahlt werden muss, damit ein Erzählen oder ein Dichten oder ein Übersetzen wahr werde.




Der Literaturverein Münster eröffnet sein diesjähriges Jahresprogramm mit einer Veranstaltung, die facettenreich einführt in die hohe Kunst des Lesens. Am Dienstag, den 6. Februar wird Petra Morsbach um 20 Uhr im Haus der Niederlande aus ihrem neuen Buch lesen: „Warum Fräulein Laura freundlich war. Über die Wahrheit des Erzählens.“ Der Autorin ist für dieses Buch soeben der renommierte Literaturpreis der Adenauer-Stiftung zuerkannt worden.

Die 1956 in Zürich geborene, heute am Starnberger See lebende Autorin hat für ihre Romane „Plötzlich ist es Abend“ (1995), den „Opernroman“ (1998), die „Geschichte mit Pferden“ (2001) und „Gottesdiener" (2004) bei Kritik und Publikum viel Anerkennung gefunden. Jetzt legt sie ihren ersten Essayband vor. Petra Morsbach fragt nach der Wahrheit des Erzählens, der Wahrheit der Sprache: „Was macht unsere Sprache mit uns? (…) Warum hat es eine solche Bedeutung, wie wir unsere Erlebnisse erzählen, obwohl wir doch scheinbar reden können, wie's uns passt? Nehmen wir mehr wahr, als wir wahr haben möchten?“ Fragen wie diese stellt Petra Morsbach nicht nur sich selbst und uns Lesern, sondern auch den Autoren dreier prominenter Prosawerke der Nachkriegsliteratur. Es sind Alfred Andersch mit seiner Erzählung „Der Vater eines Mörders“, Marcel Reich-Ranicki mit seiner Autobiographie „Mein Leben“ sowie Günter Grass mit seinem Roman „Die Blechtrommel“.

Das Buch hat zwei Teile, einen theoretische und einen praktischen. Am Ende des ersten Teils stellt Petra Morsbach fest: „(Die Sprache) zeigt uns, wie wir sind. Das ist für mich das Faszinierende: diese nicht auszuschaltende und nicht zu berechnende Wahrheit der Sprache, die weder dem Mächtigen gehört, noch dem Markt, noch der Eitelkeit, noch der Selbstsucht.“ Im zweiten Teil geht Petra Morsbach mit einer atemberaubenden, einer geradezu visionären Genauigkeit durch jene drei Bücher, die durch die Bestsellerehren, die ihnen allen zuteil wurden, fast schon unsichtbar geworden sind. So ist es verblüffend, wie feinfühlig Petra Morsbach das Erzählen etwa von Günter Grass „durchschaut“ – und das bereits zu einem Zeitpunkt, bevor der Nobelpreisträger seine SS-Zugehörigkeit bekannt hat. Offenbar gibt es eine Wahrheit des Erzählens, die mehr zu wissen scheint als der Erzähler selbst: „Nicht, daß er die Wahrheit verschleiert, ist das Frappierende, sondern daß er sich selbst des Verschleierns überführt.“