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Hanjo Kesting
Sein neues Jahresprogramm beginnt der Literaturverein Münster mit einem Gang zurück zu den Wurzeln. „Erfahren, woher wir kommen“, so lautet der Untertitel eines Sammelwerkes, das „Grundschriften der europäischen Kultur“ präsentiert. Verfasst hat es der ehemalige Leiter der Hauptredaktion „Kulturelles Wort“ beim NDR, Hanjo Kesting. Am Freitag, den 18. Januar 2012 wird er um 20 Uhr im Lesesaal der Stadtbücherei Auszüge aus diesem dreibbändigen Werk lesen, das auf eine äußerst erfolgreiche Vortragsreihe der ZEIT-Stiftung zurückgeht.Die Schriften der griechischen und römischen Antike bilden neben den Geschichten der Bibel die zentrale Grundlage unserer literarischen Kultur, ja der kulturellen Überlieferung überhaupt. Doch lässt sich nicht übersehen, dass das Erbe der Antike an Bedeutung verloren hat. Der oft beschworene Bildungskanon, die Schriften der antiken Welt und die großen Texte des Mittelalters, der Renaissance und der Neuzeit sind den meisten heutigen Lesern fremd.
Hanjo Kesting befragt diese alten Texte neu, und es gelingt ihm, sie lebendig und aufregend werden zu lassen, uns neugierig zu machen. In drei Bänden widmet er sich den zentralen Werken aus Antike, Mittelalter und Renaissance sowie aus der Neuzeit. Er stellt für jede Epoche jeweils neun Texte vor - vom Gilgamesh-Epos bis zur »Germania« des Tacitus, vom Nibelungenlied bis zu Shakespeare und von den Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht bis zu Marx und Nietzsche, den Meisterdenkern des 19. Jahrhunderts. Ein Redakteur des Deutschlandradios hat Kesting die Frage gestellt, ob „so etwas“ auch Menschen unter 50, 60 Jahren ansprechen könne. Hanjo Kesting, Jahrgang 1943, antwortete nicht ohne Genugtuung: "Wenn das vielleicht die Gretchenfrage sein soll ... Ich habe keinen Weg gefunden, diese Stoffe besonders jugendlich machen zu können. Ich habe aber die Entdeckung gemacht, dass gelegentlich - nicht ganz selten - Jüngere dabei waren, manchmal auch von ihren Eltern mitgebracht. Die aber sehr begeistert drauf reagiert haben! Ich bin sicher: Wenn man mal die Tür zu solchen Schriften einen Spalt geöffnet hat, dann treten auch Jüngere sehr begierig dadurch ein. Und verblüffend war vor vier Wochen, als ich in der Stadtbibliothek in Bremen, die "Aeneis" von Vergil behandelt habe, da waren auch ziemlich viel Junge dabei, dass es am Ende in ein rhythmischen Fußstampfen mündete. Ich war wirklich verblüfft, das hatte ich noch nicht erlebt."