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Jürgen Manthey

Jürgen Manthey las aus dem kulturhistorischen Sachbuch "Königsberg. Geschichte einer Weltbürgerrepublik"
Günter Grass gesteht, er habe darunter gelitten, als Kind und Jugendlicher Königsberg nicht kennengelernt zu haben: "Aber jetzt, dank Jürgen Manthey, bin ich sicher, dort heimisch zu werden." Am Mittwoch, den 9 März wird um 20 Uhr im Lesesaal der Stadtbücherei Jürgen Manthey aus seinem Buch lesen, dessen Untertitel fast so etwas wie die Erinnerung an eine Zukunft beschwört: "Königsberg. Geschichte einer Weltbürgerrepublik". Es ist ein Buch, das schon früh große Erwartungen geweckt hat. Bereits vor gut einem Jahr widmete die F.A.Z. ihm Passagen ihres Leitartikels mit dem Thema "Kant, Kritik und Königsberg"; im Sommer brachte die Süddeutsche Zeitung ein ausführliches Porträt des heute in Münster lebenden Autors, und im November letzten Jahres las Manthey beim "Treffen in Telgte" aus dem Kleist-Kapitel seines Buches.

Die Lesung des Literaturvereins findet in der Vorwoche der Leipziger Buchmesse statt, und auf eben dieser Buchmesse steht auch das Königsberg-Buch im Zentrum der Aufmerksamkeit: In der Sparte Sachbuch ist es zusammen mit vier anderen Büchern - darunter immerhin Safranskis "Schiller-Biographie" - für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Ein Buch, das einen gewaltigen Echoraum eröffnet: Königsberg feiert in diesem Jahr den 750. Jahrestag seiner Gründung - und es ist sechzig Jahre her, dass Königsberg in den letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges unterging.
Der 1932 in Forst/Lausitz geborene Manthey ist hervorgetreten als Literaturwissenschaftler. Unter dem Titel "Wenn Blicke zeugen können" (1983) hat er eine Studie über das Sehen in Literatur und Philosophie vorgelegt, und in seinem Buch "Die Unsterblichkeit Achillls" ist er dem Ursprung des Erzählens nachgegangen. Bleibende Verdienst hat er sich auch um die internationale Gegenwartsliteratur erworben. Er war mitverantwortlich für die heute fast schon legendäre Reihe "das neue buch", in der zum Beispiel die ersten wichtigen Bücher von Wilhelm Genazino erschienen, dem letzten Büchnerpreisträger. Manthey hätte jetzt auch eine Sequenz von kleinen Monographien vorlegen können, etwa über Herder, Kleist, Hamann, E.T.A. Hoffmann. Er hat sich nichts weniger vorgenommen, als den Nachweis zu erbringen, dass die intellektuelle Blütezeit Königsberg etwas mit dem zu tun hat, was die Stadt an bürgerlicher Öffentlichkeit bot. Es ist schon frappierend, wenn er zeigt, dass Heinrich von Kleist seinen "Michael Kohlhass" in einer Stadt der Kaufleute hat entwerfen können. Und dass Kleists Studie "Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden" von der eloquenten Geselligkeit profitierte, die kennzeichnend für das Königsberger Geistesklima war. Ein Buch über eine "Weltbürgerrepublik" müsste in einer Stadt, die sich dem Wettbewerb um die europäische Kulturhauptstadt gestellt hat, ein großes Publikum finden - nicht nur unter den Königsbergern, die in Münster heimisch geworden sind.