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Angela Krauß
Es ist der Herbst der dicken Bücher, und vier von ihnen mach(t)en sich breit auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis: Clemens J. Setz mit der „Stunde zwischen Frau und Gitarre“, 1021 Seiten, Frank Witzel mit der „Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969“, 827 Seiten, Feridun Zaimoglu mit seinem „Siebentürmeviertel, 800 Seiten, sowie Steffen Kopetzkys „Risiko“ mit 730 Seiten. Der Literaturverein Münster hält dagegen und hat eine Autorin eingeladen, die auf lichtdurchlässigen 150 Seiten eine „Rede in Versen“ präsentiert. Am Freitag, den 18. August 2015 wird Angela Krauß um 20 Uhr im Lesesaal der Stadtbücherei aus ihrem neuen Buch „Eine Wiege“ lesen. Die 1950 in Chemnitz geborene Autorin war vor vier Jahren Gast des Münsteraner Lyrikertreffens und ist zuletzt mit dem Wilhelm Müller-Preis ausgezeichnet worden, der nach dem Verfasser der von Schubert vertonten „Winterreise“ benannt ist. Für Angela Krauß ist die „Winterreise“ ein Werk wie „eine Prüfung, ob man den Lebenstatsachen gewachsen ist, zu denen Niederlage und Verlust ebenso gehören wie das Unbehaustsein in einer kalten Welt.“Eine schwerelose, aber doch gewichtige Antwort auf die Frage, ob man den Lebenstatsachen gewachsen sei, gibt Angela Krauß jetzt in einem Buch, das inspiriert worden ist durch Fotografien, die ihr Vater in den Fünfzigerjahren aufgenommen hat. Es greift Motive aus der Erzählung „Der Dienst“ auf, für die Angela Krauß 1988 mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet worden ist. Die Gestaltung des Buches hat Angela Krauß, gelernte Gebrauchsgrafikerin, selbst übernommen. Fotos und Texte korrespondieren miteinander, ohne dass je ein Text zur bloßen Beschreibung oder ein Foto zur verdoppelnden Illustration würde. Die einzelnen Seiten oder aufgeschlagenen Doppelseiten haben den Charakter eines Mobiles, das für einen Moment angehalten worden ist. Angela Krauß sucht auf ihre Weise nach der verlorenen Zeit, und was sie bewegt, deuten die Zeilen an, die sie wie ein Motto dem Band vorangestellt hat: "Ich bin ein Kind, / aber nicht dieses. / Ich bin das andere, / das mich bewohnt." Es folgt das Foto eines kleinen Mädchens, das mit seinem Roller eine Straße überqueren will, aber noch fragend in die Kamera blickt. Immer wieder stehen solche Bild-Text-Sequenzen für das ein, was Angela Krauß als das einzig ersehnte Ziel ihres Dichtens ansieht: „dass meine Person in ihrer poetischen Gestalt restlos auf- also untergeht“. Jörg Magenau hat im Deutschlandradio Kultur diese „Rede in Versen“ so charakterisiert: „‚Eine Wiege‘ ist ein wunderbar leichtes, flirrendes, hochpoetisches Buch, mehr Lyrik als Prosa, mehr Erkundung des Menschseins als Autobiografie, mehr Sprachstrom als Erzählung. Und doch entsteht zusammen mit den Fotografien, die wie Glücksinseln darin schwimmen, das Bild einer ganz bestimmten Person, ihrer Herkunft und ihrer Zeit: Literatur vom allerschönsten.“.
das karnevalistische Gebräu nannte, mit dem er und einige Mitstreiter die spätsowjetische Ukraine literarisch unsicher machten. Das Imperium wird weggelacht.