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Markus Orths

Ursprünglich hat Markus Orths den Komiker Stan Laurel im Dunkeln auf die Suche nach seinem Partner Oliver Hardy schicken wollen: „Und er sollte – tastend – jemanden finden, der zunächst schweigt und ebenso dick ist wie Ollie, in allem anderen aber das genaue Gegenteil. Mir kam sofort Thomas von Aquin in den Sinn, der stumme Ochse, wie er genannt wurde, ein Schweiger, der so dick war, dass man ihm einen Halbmond für den Bauch in den Tisch sägen musste, wenn er schreiben wollte; zugleich einer der größten Denker, 700 Jahre entfernt von Stan.“ Aus dieser Idee ist ein „Picknick im Dunkeln“ geworden, der Roman, aus dem Markus Orths am Dienstag, den 3. März 2020 um 20 Uhr im „Theatertreff“ (Theater Münster, Neubrückenstraße 63) lesen wird.

Orths, geboren 1969 in Viersen, studierte Romanistik, Englisch und Philosophie an der Universität Freiburg. 1991/92 arbeitete er als Fremdsprachenassistent für Deutsch in Paris. Nach dem Studium war er als Studienreferendar für Englisch und Französisch am Thomas-Mann-Gymnasium in Stutensee sowie als Lehrer am Werner-Heisenberg-Gymnasium in Göppingen tätig. Schon zwei Jahre vor dem Erfolg seines polarisierenden Romans „Lehrerzimmer“ widmete er sich ausschließlich dem Schreiben von Romanen und Erzählungen, die in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden. Sein Roman „Das Zimmermädchen“ wurde von Ingo Haeb verfilmt und kam im Mai 2015 unter dem Titel „Das Zimmermädchen Lynn“ in die Kinos. Markus Orths hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten; im Jahr 2019 hat der Deutsche Literaturfonds e.V. ihm ein Jahresstipendium gewährt. Unter dem Titel „Der bescheidenste Autor der Welt“ sind im letzten Jahr die Poetik-Vorlesungen erschienen, die Orths an der Universität Bamberg gehalten hat. Sie sind auch so etwas wie der Roman des neuen Romans, der sich nicht weniger vorgenommen hat, als alles „wegzulassen“, was man sehen kann. Soeben ist auch sein neues Kinderbuch erschienen: „Luftpiraten“.

Mit Stan Laurel und Thomas von Aquin, die er zu einem „Picknick im Dunkeln“ zusammenführt, spannt Markus Orths einen erzählerischen Bogen über siebenhundert Jahre Weltgeschichte: Seine beiden Helden wollen ans Licht, unbedingt. Sie tasten sich voran, führen irrwitzige Gespräche und teilen die Erinnerungen an zwei haarsträubend unterschiedliche Leben. Warum treffen sie aufeinander? Warum jetzt? Warum gerade sie beide? Für Orths ist mit jener Begegnung auch ein existentielles Motiv verbunden, der Tod seines Vaters, der ein gläubiger Christ gewesen sei: „Im Grunde genommen steckt mein Vater auch ein wenig in der Figur des Thomas. Genauer gesagt, all das, was mich – als Agnostiker – von meinem Vater trennt (und dem ich nachspüren wollte). Während in der Figur des Stan Laurel vieles von dem steckt, was mich mit meinem Vater verbindet, denn er hatte einen unvergleichlichen Humor. Insofern ist dieses Buch für mich auch eine Art Abschiednehmen: sich einem wichtigen Menschen noch einmal zu nähern, seinem fernen Glauben (Thomas), seinem nahen Lachen (Stan), mit ihm durchs Dunkle zu gehen, in dem er jetzt ist, ein Dunkel, das wir im Leben niemals durchdringen können, außer in der Imagination.“



Markus Orths
- ausgezeichnet mit dem Telekom-Austria-Preis in Klagenfurt 2008
-liest aus seinem Roman „Das Zimmermädchen“

Der Literaturverein Münster präsentiert zu Beginn seines zweites Halbjahresprogramms Markus Orths, einen Autor, der vor ein paar Monaten beim Ingeborg Bachmann-Wettbewerb mit dem Telekom-Austria-Preis ausgezeichnet worden ist. Über die Teilnahme an diesem Wettbewerb, deren Jury der Münsteraner Autor Burkhard Spinnen vorstand, hat Orths eine nachträgliche Reportage geschrieben, mit dem offenherzigen Titel: „Das Kampfschwein in mir“.
Am Mittwoch, den 24. September wird Markus Orths um 20 Uhr im Lesesaal der Stadtbücherei aus seinem neuen Roman „Das Zimmermädchen“ lesen. Die bisherigen Romane des 1969 in Viersen geborenen Autors haben sich immer wieder in Milieus begeben, die entgegen ihrer Bedeutung nicht gerade im Fokus der zeitgenössischen Belletristik stehen: so die der Kirche - in dem Roman „Corpus“, 2002 - oder die der Schule - in dem Roman „Lehrerzimmer", 2003.
Mit seinem Neuen Roman betritt Markus Orths abermals eine Welt, die bei näherem Hinsehen exotischer ist, als sie auf den ersten Blick erscheinen mag. Orths erzählt die Geschichte einer Frau, die nach einigen privaten Irrungen und Wirrungen endlich wieder einen Job gefunden hat - als Zimmermädchen im Hotel „Eden“. Es ist ein Roman, der jedenfalls eine Seite dessen beleuchtet, was in den kommenden Monaten das kulturelle Leben in Münster bestimmen wird: das Reisen, die Kunst des Reisens, die Künstler auf Reisen. Das, auf das er sein fahles Licht wirft, ist freilich dazu angetan, dass man die eine Reiseerinnerung doch noch einmal „nachsehen“ möchte und sich bei der anderen Reiseplanung besser „vorsehen“ wird. Denn Linda Maria Zapatek, genannt „Lynn“, ist ein Zimmermädchen, das es nicht beim täglichen Putzen und Bettenmachen und Schokolädchen-auf-die-Kopfkissen belässt. All die vorübergehenden Hinterlassenschaften der Gäste werden von ihr nicht nur akribisch inspiziert, sondern aus ihnen biographische Hypothesen entwickelt. Schließlich geht sie so weit, dass sie sich jenen Gästen buchstäblich anverwandelt, indem sie sich deren Kleidungsstücke überzieht. Spannend wird die Sache, als ein heimkehrender Gast sie zu ertappen droht. Zu dem Exil unter dem Bett gibt es keine Alternative, aber Markus Orths wechselt vom Thema der verzweifelten Selbstinszenierungen nicht zum frivolen Boulevard-Stück über. Lynns erste Nacht unter dem Bett ist nicht die letzte. Sie ist der Anfang einer voyeuristischen Anstrengung, am Leben der Anderen teilzuhaben.
Die Süddeutsche Zeitung sieht in dem Roman weniger das Porträt einer lebenskranken Frau als eine Widerspiegelung allgemeiner Ängste. Er lege den Finger auf die Wunde der mobilen Dienstleistungsgesellschaft und zeige uns, „dass wir gesehen und gehört werden: von all den Helfern, die uns das Leben erleichtern und deren Blick und Gehör wie vergessen müssen, um den erkauften Komfort zu genießen.“