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Ingo Schulze
Endlich kann sie nachgeholt werden, die Lesung mit Ingo Schulze, die bereits für 2020 geplant war. Schulze in seinem literarischen und essaystischen Werk ist ein teilnehmender Beobachter. In seinen Geschichten und Romanen erzählt er virtuos von unseren gesellschaftlichen Entwicklungen. Zu unterschiedlichsten Anlässen reflektiert er die glückhaften, aber auch die problematischen Erfahrungen von 1989/90, die unsere Welt bis heute prägen. Er beleuchtet die Konsequenzen der zunehmenden Polarisierung und Radikalisierung in allen Bereichen. Er besteht auf dem Vorrang des Gemeinwohls und einer gerechten Welt-Innenpolitik. Am Montag, den 13. März wird Ingo Schulze um 20 Uhr im Theatertreff (Neubrückenstraße 63) aus seinem letzten Roman „Die rechtschaffenen Mörder“ (2020) lesen und auch seinen neuen Essayband vorstellen: „Der Amerikaner, der den Kolumbus zuerst entdeckte“.Ingo Schulze wurde 1962 in Dresden geboren und lebt in Berlin. Nach dem Studium der klassischen Philologie in Jena arbeitete er zunächst als Schauspieldramaturg und Zeitungsredakteur. Für sein literarisches und essayistisches Werk ist er vielfach ausgezeichnet worden, zuletzt, 2021, mit dem Preis der Literaturhäuser und dem Kunstpreis der Landeshauptstadt Dresden. In den Jahren 2021/22 hatte er, zusammen mit Frank Witzel, die Paderborner Gastdozentur für Schriftstellerinnen und Schriftsteller inne und Ende letzten Jahres – zusammen mit Dževad Karahasan und Alida Bremer – die „Tübinger Poetik-Dozentur 2022“; in diesem Jahr ist er der Metropolenschreiber Ruhrgebiet.
Wie wird ein aufrechter Büchermensch zum Reaktionär – oder zum Revoluzzer? – das ist die Frage, die Ingo Schulze in seinem letzten Roman aufwirft. Sein Held heißt Norbert Paulini, er ist ein hoch geachteter Dresdner Antiquar, eine Kultfigur. Bei ihm finden Bücherliebhaber bibliophile Schätze und bibliomanische Gleichgesinnte. Über vierzig Jahre lang durchlebt er Höhen und Tiefen. Auch als sich die Zeiten ändern, die Kunden ausbleiben und das Internet ihm Konkurrenz macht, versucht er, seine Position zu behaupten. Doch plötzlich steht ein aufbrausender, unversöhnlicher Mensch vor uns, der beschuldigt wird, an fremdenfeindlichen Ausschreitungen beteiligt zu sein. Die Geschichte nimmt eine virtuose Volte: Ist Paulini eine tragische Figur oder ein Mörder? Auf fulminante Weise erzählt Ingo Schulze von unserem Land in „jenen“ Tagen und zieht uns den Boden der Gewissheiten unter den Füßen weg.– Für Cornelia Geissler in der „Berliner Zeitung“ wirft der Roman die Frage auf: „Wie konnte die gewonnene Freiheit viele Menschen im Osten zu einer Haltung führen, die Unfreiheit für andere fordert? Es wäre falsch, diesen Roman ein politisches Buch zu nennen. Seine große Stärke liegt, begründet schon durch die Konstruktion, in der Uneindeutigkeit, im Zweifel. Das ist Literatur.“