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Jean-Philippe Toussaint

Mit Jean-Philippe Toussaint liest am Mittwoch, den 25. Oktober, um 20 Uhr ein veritabler Star der aktuellen französischen Literatur in der Stadtbücherei. Für seinen jüngsten Roman /Fuir/ („Fliehen“, 2005), der im nächsten Jahr auf Deutsch erscheinen wird, hat er den /Prix Médicis /erhalten, einen der wichtigsten französischen Literaturpreise. Doch schon 1985 war dem 1957 in Brüssel geborenen Autor mit seinem ersten Roman, /Das Badezimmer/, der Durchbruch gelungen. In seinen minimalis-tischen Texten, in denen sich Antihelden in der Tradition eines Oblomov oder Bartleby den Abenteuern des Alltags eher beobachtend als teilnehmend aussetzen, knüpft Toussaint an den Nouveau Roman an, der in den fünfziger Jahren den Bruch mit dem realistisch-psychologischen Roman vollzogen hatte. Statt Wirklichkeit zu beschreiben, problematisiert er in Texten wie /Der Photoapparat/ (1988; dt. 2005) ihre Wahrnehmung. So auch in dem in Berlin spielenden Roman /Fernsehen/ (1997; dt. 2001), in dem der Protagonist, ein Kunsthistoriker, den letztlich vergeblichen Entschluss fasst, von Stund an auf das Fernsehen zu verzichten. Wie unvermeidlich heutzutage das Fernsehen ist, wird während eines Rundflugs über Berlin klar, bei dem das Flugzeug beinahe am Fernsehturm zerschellt. Der skurrile Humor seiner Texte hat Toussaint, der auch Filme dreht, den Vergleich mit Komikern wie Jacques Tati und Buster Keaton eingetragen.

In Münster wird Jean-Philippe Toussaint aus seinen letzten beiden auf Deutsch erschienenen Büchern lesen: aus dem /Selbstporträt (In der Fremde)/ (2001), einer Reihe kürzerer Reise-Erzählungen, die zugleich Reflexionen über das Metier des Schriftstellers sind, und aus dem Roman /Sich lieben/ (2003), der von der Trennung zwischen der Künstlerin Marie und dem Ich-Erzähler während einer Reise nach Tokio erzählt. Den Schauplatz dieser Texte bildet zwar die große weite Welt, doch dies bedeutet keinen Zuwachs an Welthaltigkeit. Die Entgrenzung, das Herausfallen aus Zeit und Raum, die der Erzähler im Flugzeug irgendwo zwischen Asien und Europa, zwischen Tag und Nacht, erfährt, verstärkt nur das Gefühl der Verlorenheit und Unwirklichkeit des Ichs, eines Selbstverlusts, der den Gedanken an den Tod heraufbeschwört. Die Frage, ob das Schreiben dagegen noch helfen kann, bleibt am Ende unbeantwortet.