LiteraturvereinLiteraturverein LogoBuchseite

Alissa Walser

Am Anfang war die Nacht Musik (Piper 2010).

Alissa Walser„Nach den Wagners und den Manns jetzt der Bodensee-Clan?“, fragte vor ein paar Wochen die Tageszeitung „Die Welt“ und meinte damit „Unsere Walsers“, nämlich die Familie von Martin und Käthe Walser mit den kunstbegabten Töchtern Johanna, Alissa, Franziska und Theresia sowie (Martin Walsers unehelichen Sohn) Jakob Augstein. Tatsächlich erregen die neuen Bücher zweier Mitglieder dieses „Clans“ zurzeit erhebliche Aufmerksamkeit: Martin Walsers „Mein Jenseits“ und Alissa Walsers „Am Anfang war die Nacht Musik“. Am Freitag, den 12. März wird um 20 Uhr im Lesesaal der Stadtbücherei Alissa Walser aus ihrem neuen Buch lesen, das über drei Ecken sogar einen gewissen Münster-Bezug hat. In Meersburg am Bodensee steht die „Magische Säule“ des Bildhauers Peter Lenk. Dargestellt sind unter anderem Franz Anton Mesmer und „unsere“ Annette von Droste-Hülshoff. Beide sind auf dem Meersburger Friedhof begraben. Und eine Hauptfigur in dem ersten Roman von Alissa Walser, die bereits 1994 Gast des Literaturvereins war, ist der bis heute umstrittene Franz Anton Mesmer (1734 bis 1815), die einen sagen: Scharlatan, die anderen: Wunderheiler. Mesmer ist eine Figur, deren Aura oder Charisma Schriftsteller wie E.T.A. Hoffman und Edgar Allen Poe, aber auch Gegenwartsautoren wie Peter Sloterdijk („Der Zauberbaum. Die Entstehung der Psychoanalyse“) oder Per Olof Enquist („Der fünfte Winter des Magnetiseurs“) immer wieder zu einer Auseinandersetzung gereizt hat; übrigens hat auch „unsere“ Annette Kontakt gehabt mit einem „Mesmeristen“: Joseph Ennemoser. Alissa Walser indes - Schriftstellerin, Übersetzerin, Malerin - hat weniger ein historisches als ein sehr eigenes Interesse an dieser Gestalt: „Das Verhältnis zwischen Mann und Frau, der Körper als Spiegel des Zeitgeists, aber auch das Sehen und das Licht – Themen, die mir als Malerin sehr entgegengekommen sind und die ich in meinen frühen Geschichten mit einer gewissen Härte realisiert habe.“ Ihr Kunstprofessor in New York habe eines ihrer Bilder als „mesmering“ bezeichnet,w as soviel heißt wie: faszinierend, fesselnd. Der Roman erzählt die historisch „wahre“ Geschichte eines Heilungsversuchs: Mesmer soll die blinde Klaviervirtuosin Theresia von Paradis therapieren. Aber ein tragisches Dilemma tut sich auf, und sie erhebt einen verzweifelten Vorwurf gegen Mesmer: „Er habe ihre Augen sehend gemacht, und jetzt seien ihre Hände krank. Begreife das, wer wolle.“ Theresia kehrt in die Nacht, die am Anfang Musik war, zurück. Die „Süddeutsche Zeitung“ hat bereits im Titel, der das Wort „Nachtmusik“ auseinanderreißt, abgekündigt gesehen, dass es hier um Brüche gehen werde, nicht um liebliche Harmonien. Tatsächlich: Was viele historische Romane nicht leisten, hier ist’s Ereignis: ein sprachliches Kunstwerk! Ob ihr Vater das Entstehen des Romans begleitet habe, wurde Alissa Walser gefragt: Antwort: „Oh Himmel, nein.“