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Kurt Drawert

Kurt Drawert liest aus seinem Roman „Ich hielt meinen Schatten für einen anderen und grüßte“ (C.H. Beck, 2008).
Vor gut einem Vierteljahr war Gast des Münsteraner Literaturvereins Uwe Tellkamp.
Vor einem fast überfüllten Rathausfestsaal las er aus seinem Roman „Der Turm“, der schon sofort nach seinem Erscheinen als ein Buch gefeiert wurde, „das bleibt“. Jetzt kommt ein Autor, dessen neuer Roman ebenfalls die untergegangene DDR zum Gegenstand hat. Am Mittwoch, den 11. Februar wird Kurt Drawert um 20 Uhr im Lesesaal der Stadtbücherei aus einem Roman lesen, dessen Titel nicht eine buchstäbliche Abgehobenheit betont, sondern eine Entfremdung: „Ich hielt meinen Schatten für einen anderen und grüßte“. Wenn Uwe Tellkamp in der Tradition eines Thomas Mann steht, dann Kurt Drawert in der Nachfolge jener sarkasmusgestählten Autoren, die Arno Schmidt einmal die „Schreckensmänner“ genannt hat. Kurt Drawert, geboren 1956 im Brandenburgischen, lebt heute in Darmstadt; er ist bisher insbesondere als Lyriker und Essayist - so mit einem eigensinnigen Buch über Emma Bovary - in Erscheinung getreten; wie Uwe Tellkamp hat auch er den ehrenvollen Uwe Johnson-Preis erhalten.

In seinem Roman nimmt er eine Perspektive ein, die der von Uwe Tellkamps Protagonisten diametral entgegen gesetzt ist: nicht Turm, sondern Untertage bau, nicht Etagen, sondern - in Anspielungen auf Dante -: Höllenkreise! Drawert nennt sie Schuldbezirke. Und in diesem Inferno hält sich auf - und aus ihm arbeitet sich heraus - sein Protagonist, den er in Anlehnung an den historischen Kaspar Hauser konzipiert hat, jenen Findling, der seine frühen Jahre in einem Verlies verbracht hat. Mit unbestechlichem Hohn und Spott führt Drawerts klumpfüßiger Antiheld seine Merk- und Beobachtungshefte, die der „Deutschen D. Republik“ einen Zerrspiegel ins Gesicht halten. Unter dem Titel „Gemälde des Terrors" hat Fritz J. Raddatz in der „Zeit“ vor diesem Buch gewarnt: „Es kommt auf derart hohem stilistischen wie intellektuellen Niveau daher, dass es allein durch seine Qualität den Tand der applaudierten Animationsliteratur beiseite wischt“.

Wer wissen will, was vor zwanzig Jahren in Deutschland zu Ende gegangen ist, aber auch wer wissen will, was Literatur zwischen Mimesis und Magie noch immer vermag, der kommt an den großen Romanen von Uwe Tellkamp und Kurt Drawert nicht vorbei.