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Esther Kinsky

Am 11. Juni erhält sie den Düsseldorfer Literaturpreis – für ein Buch, das in diesem Frühjahr bereits den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik erhalten hat. Ein paar Tage vorher, am Freitag, dem 8. Juni 2018, wird sie um 20 Uhr im Lesesaal der Stadtbücherei aus ihrem „Geländeroman“lesen, der den lakonischen Titel „Hain“ trägt.

Esther Kinsky wurde 1956 in Engelskirchen geboren und lebt in Berlin. Für ihr umfangreiches Werk, das Übersetzungen aus dem Polnischen (Hermann Hesse Preis 2018), Russischen und Englischen ebenso umfasst wie Lyrik, Essays und Erzählprosa, wurde sie vielfach ausgezeichnet. Ihre letzten Veröffentlichungen sind „Naturschutzgebiet. Gedichte und Fotografien“ (2013), der Roman „Am Fluss“ (2014) und, gemeinsam mit Martin Chalmers, die zweistimmige Reiseerzählung „Karadag Oktober 13“ (2015). Die Autorin wurde mehrfach ausgezeichnet; 2015 erhielt sie den Kranichsteiner Literaturpreis sowie den Preis der SWR-Bestenliste für „Am Fluss“. Im gleichen Jahr war sie Gast des Lyrikertreffens Münster. Zum Sommersemester 2016 übernahm Kinsky die auf ein Jahr befristete Thomas Kling-Poetikdozentur an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

Drei Reisen unternimmt die Ich-Erzählerin in Esther Kinskys „Geländeroman“. Sie reist allein. Ihr Mann, mit dem sie gerne reiste, ist kürzlich gestorben. Die Reisen führen sie nach Italien, doch nicht an die bekannten, im Kunstführer verzeichneten Orte, nicht nach Rom, Florenz oder Siena, sondern in abseitige Landstriche und Gegenden – nach Olevano Romano etwa, einer Kleinstadt in den Hügeln nordöstlich der italienischen Hauptstadt gelegen. Oder in die Valli di Comacchio, die Lagunenlandschaft im Delta des Po, eine halb von Vögeln beherrschte Wasserwelt, halb dem Wasser abgetrotztes Ackerland. Zwischen diesen beiden Geländeerkundungen im Gebirge und in der Ebene führt die dritte Reise die Erzählerin zurück in die Kindheit. Wie bruchstückhafte Filmsequenzen tauchen die Erinnerungen an zahlreiche Fahrten durch das Italien der Siebzigerjahre auf, dominiert von der Figur des Vaters. Esther Kinskys Streifzüge und Wanderungen – die gegenwärtigen und die erinnerten - sind Italienische Reisen ganz eigener Art. Sie erkunden mit allen Sinnen äußeres Terrain und führen doch ins Innere, zu Abbrüchen der Trauer und des Schmerzes und zu Inseln des Trostes. Der einfühlsame, präzise Blick der Reisenden entlockt jedem Gelände, was eigentlich im Verborgenen liegt: Geheimnis und Schönheit. Die Jury in Leipzig hat ihre Wahl so begründet: „Was für eine Schule der Wahrnehmung. In der Reizreduktion zeigt sich jedes noch so unscheinbare Detail mit geradezu übersinnlicher Genauigkeit; die Tonlosigkeit steigert sich zum Gesang der Dinge. Im Ähnlichen entdeckt sie das immer Andere. Man wird der unspektakulären Melodie dieses Buches und der rhythmischen Präzision seiner Sätze nur gerecht, wenn man es langsam liest: mit einer Geduld, die nichts erwartet, und gerade deshalb mit einem Staunen über die Fülle seiner Einzelheiten belohnt wird.“