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Felicitas Hoppe

Wo gibt es denn so was? Nach den Titelblättern, auf denen sonst allenfalls ein Motto zu finden ist, der nachdrückliche Hinweis: „Für Familienmitglieder gilt das gesprochene Wort!“. Dann kommt das Inhaltsverzeichnis mit sechs nummerierten Kapiteln, anschließend - als das präludierende Kapitel „0.“ - ein burschikos knappes Zitat ausgerechnet aus Wikipedia: „Felicitas Hoppe (*22. Dezember 1960 in Hameln) ist eine deutsche Schriftstellerin.“ Am Mittwoch, den 2. Mai 2012 wird diese deutsche Schriftstellerin um 20 Uhr im Lesesaal der Stadtbücherei aus ihrem Roman lesen, der so heißt wie sie selbst: „Hoppe“. In einem Interview, das die Autorin – „fh“ - mit sich selbst geführt hat, antwortet sie auf die Frage, ob es nicht ein bisschen eitel sei, mit 50 seine Autobiographie zu schreiben: „Moment mal: Hoppe ist keine Autobiographie, sondern eine Biographie über Felicitas Hoppe. Und die war, unter uns gesagt, längst überfällig. Es ist ja jede Menge Unsinn über Hoppe in Umlauf. Ihre erste Autobiographie schrieb sie übrigens bereits mit zehn. Da war Wayne Gretzky, Hoppes erste große Liebe, schon ein Eishockeystar, und Glenn Gould, Hoppes Jugendliebe, gab längst Konzerte. Da musste sie natürlich nachziehen.“

Eine der ersten Auszeichnungen, die Felicitas Hoppe erhielt, war ein Stipendium im Künstlerdorf Schöppingen. Mehr als 20 Jahre später gehört sie längst zu den deutschen Autoren, die sich einen unverwechselbaren literarischen „Dialekt“ erschrieben haben. Ihre zahlreichen Auszeichnungen hat sie auch deswegen verdient, weil ihre Literatur - geboren aus dem Geist von Märchen und Sagen, Heiligenlegenden und Ritterepen sowie dem der großen Kinderbücher der Weltliteratur - für die Gegenwartssprache, die Gegenwartsliteratur, ja die Gegenwartsphantasie wunderliche Felder erschließt. Vor zwei Jahren hat Felicitas Hoppe den Rattenfänger-Literaturpreis ihrer Heimatstadt erhalten, und die ersten Sätze von „Hoppe“ mögen belegen, wie früh sie sich ihn verdient hat: „Weltweit, egal welcher Zeitung, hat Hoppe immer dieselbe Geschichte erzählt: wie sie als Ratte mit Schnurrbart und Schwanz versehen, Wurst in der Linken, Brot in der Rechten, den Marktplatz ihrer Heimatstadt Hameln betritt, um sich unter der Führung des Rattenfängers vor Touristen aus aller Welt ein Taschengeld zu verdienen.“ Dass Felicitas Hoppe, die sich in ihrem neuen Roman selbst erfindet, auch ihr Schriftstellerhonorar verdient, dafür mag dann das Urteil von Heinrich Detering stehen, der in der F.A.Z. seine Dankbarkeit so bezeugt: „Hoppes Hoppe, diese freche, über alle Stränge schlagende tour de force, ist eine literarische Abenteuerreise und eine romantische Eulenspiegelei, Schelmenstück und Geniestreich. Und eine ganz demütige, weil am Ende aller dialektischen Pirouetten buchstäblich selbstlos gewordene Einübung ins Glück des Erzählens.“



Für ihr erstes Buch - „Picknick der Friseure“ - bekam sie 1996 den aspekte-Literaturpreis, und für ihr letztes wurde sie Anfang dieses Jahres mit dem noch wichtigeren Bremer Literaturpreis ausgezeichnet. Und vor ein paar Wochen hat sie die ehrenvolle Berufung in die deutsche Akademie für Sprache und Dichtung erhalten: die 1960 in Hameln geborene Felicitas Hoppe. Am Donnerstag, den 14. Juni wird die weitgereiste und vielübersetzte Autorin um 20 Uhr im Lesesaal der Stadtbücherei aus ihrem buchstäblich legendären Roman „Johanna“ lesen. Bei der Preisverleihung in Bremen hat sie sich auf die „Bremer Stadtmusikanten“ berufen und den Schlußsatz dieses Märchens gegen den Tod zitiert: „Und der das erzählt hat, dem ist der Mund noch warm.“

Ein mundwarmes Buch ist auch ihr Roman über Johanna von Orleans, das Bauernmädchen, das im 15. Jahrhundert Geschichte gemacht hat, auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde und später heiliggesprochen worden ist. Nein, kein Roman „über“, und schon gar kein „historischer“, vielmehr eine beherzte wie beschwingte literarische Phantasie: „Jeanne, Jehanne, Johanna von Tarc, wie einfach deine Geschichte ist (…), erst der Sieg, dann die Niederlage. Vom Schaf zum Schafott, das ist ja nur eine Silbe, ein Wind, der sich dreht, kurz wie ein französisches Mädchen, das sich eines Tages die Haare abschneidet und entschlossen die Puddingschüssel vom Tisch nimmt, ist ja sonst kein Helm da. Man muss sich eben zu helfen wissen. Hundert Jahre Krieg, eine Not, die Kinder erfinderisch macht.“

Vordergründig ist der Roman die Geschichte dreier Johanna-Vernarrter, der Ich-Erzählerin, die über Johanna „arbeitet“ und manchmal ganz in Johanna aufgeht und/aber vor dem Examen steht, eines Professors namens Peitsche, der dem Rätsel dieser Johanna mit beinah animistischen Methoden beizukommen versucht , und eines weiteren Gelehrten, der für dynastische Irrungen und Wirrungen zuständig ist. Wie nah - „hintergründig“ - die Autorin der Ich-Erzählerin steht, wird in einer Nachbemerkung deutlich, in der Felicitas Hoppe wortwörtlich ihre eigene Figur „zitiert“, sich aber bei dem „wirklichen“ Ossip Mandelstam bedankt für die Angst, die sie jederzeit bei der Hand nehme und führe: „Wenn die Angst bei mir ist, habe ich keine Angst.“ Im letzten Kapitel legt sie die Moral von der Geschichte einem Bruder Martin in den Mund: „Kinder, das dürft ihr niemals vergessen, versprecht mir, dass ihr das niemals vergesst, die zwei einfachsten Dinge des schwierigen Lebens: Zieht niemals den Kopf ein, und dreht euch nicht um! Ganz egal wer hinter euch steht. Sagt nicht Bescheid! Kein Wort und kein Abschied.“