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Tobias Lehmkuhl

Der doppelte Erich Kästner im Dritten Reich
Berlin, Anfang der Dreißigerjahre. Erich Kästner befindet sich auf dem Höhepunkt seines Erfolgs: »Pünktchen und Anton« und »Das fliegende Klassenzimmer« begeistern international, »Emil und die Detektive« wird 1931 verfilmt (Drehbuch Billy Wilder).

Dann die Zäsur: Als die Nazis die Macht übernehmen, entscheidet sich Kästner, in Deutschland zu bleiben. Er, der kurz zuvor noch ein Spottgedicht auf Hitler verfasst hat, muss vor Ort mitverfolgen, wie seine Bücher verbrannt werden; bald darauf erhält er Publikationsverbot. Und doch gelingt es ihm, über die Runden zu kommen, und das nicht einmal schlecht. Er schreibt unter Pseudonymen, übernimmt Auftragsarbeiten, zuletzt auch für die Ufa, die längst von Goebbels politisch instrumentalisiert wird. All das wirft Fragen auf: Wie weit passte Kästner sich im Dritten Reich an, wo bekannte er Farbe? Wie schmal war der Grat, auf dem er wandelte?

Tobias Lehmkuhl beleuchtet in seinem Vortrag dieses Kapitel im Leben des großen deutschen Erfolgsautors. Er begleitet Kästner bei seinen Streifzügen durch die Stadt, folgt seinem publizistischen Maskenspiel – und zeigt dabei den Moralisten, Verseschmied und Schöpfer zeitlos-populärer Kinderbücher und Romane noch einmal von einer ganz anderen Seite.



„Die Odyssee. Ein Abenteuer.“
Er hat Liebesgedichte und Wintergedichte herausgegeben, hat unter den Titel „Coolness“ ein Buch über Miles Davis geschrieben, und er hat einen „Sommer in Masuren“ verbracht, das er als das „Land ohne Eile“ porträtierte. Jetzt hat er sich auf eine große Reise gemacht und hat sich dabei keinem Geringeren anvertraut als dem „blinden Seher“ Homer. Am Mittwoch, den 25. September 2013 wird Tobias Lehmkuhl um 20 Uhr in der Stadtbücherei das Halbjahresprogramm des Literaturvereins eröffnen mit einer Lesung aus seinem neuen Reisebuch „Die Odyssee. Ein Abenteuer.“

Lehmkuhl, geboren 1976, wuchs in Bissendorf bei Osnabrück auf. Er studierte Literaturwissenschaft und Romanistik in Bonn, Barcelona und Berlin. Dort arbeitet er seit 2002 als freier Journalist, schreibt Radio-Features, Reportagen, Essays und Kritiken für verschiedene Medien.

Angesichts der aktuellen politischen Verwerfungen möchte man das Mittelmeer als ein “mare crisium“ bezeichnen, aber Tobias Lehmkuhl ist kein politischer Journalist. Eher ist er ein sentimentaler Reisender, dem auch der Alltag zu einem Abenteuer werden kann. Sein Interesse an dem mediterranen Raum aber wird zunächst einmal geweckt durch den Versuch, Odysseus zu folgen. Die Segel setzte Odysseus in Troja, doch nachdem ein widriger Wind die Umrundung des Peloponnes vereitelte, verliert sich seine Spur. Auch Tobias Lehmkuhl weiß noch nicht, wann und wo sein Abenteuer enden wird, als er von Trojas Ruinen aufs Mittelmeer hinausschaut. Wie Homers Held steht er vor einer Reise ins Ungewisse. Zufälle und Unwägbarkeiten führen Lehmkuhl nach Kea und Kythera, nach Neapel und Palermo, über Malta schließlich doch nach Ithaka. Die «Odyssee» im Gepäck, wandert er über Vulkaninseln und segelt durch die Ägäis, er verliebt sich in die Medina von Tanger, verpasst den Eingang zum Hades, lässt sich von Sirenen locken. Er freundet sich mit Grenzschützern an, lernt in Tunis Revolutionäre kennen, diskutiert mit Immobilienspekulanten an der Costa de la Luz und besteigt den Vulkan Stromboli. Das Mittelmeer, unermesslich weit, unermesslich reich, erlebt Lehmkuhl als eine Welt, in der sich tausend Wege kreuzen, uralte und ganz neue, Wege von Kreuzfahrtschiffen und Flüchtlingsbooten, Fischern und Fernfahrer-Fähren. Lehmkuhl hat seinem „Abenteuer“ ein Zitat aus Goethes „Faust II“ vorangestellt, das auch ihn selbst charakterisiert: „Wie Ulyß bei uns verweilte, / Schmähend nicht vorübereilte, / Wußt er vieles zu erzählen.“