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Thomas Sparr

Das Jahr 2020 ist in doppelter Hinsicht ein Celan-Jahr: Vor 100 Jahren wurde Paul Celan geboren, vor 50 Jahren hat er den Freitod gewählt. Er hieß ursprünglich Paul Antschel, später rumänisiert Ancel, woraus das Anagramm Celan entstand. Unlöslich mit seinem Namen verbunden ist ein Gedicht, das wie kein zweites nach 1945 eine solche internationale Berühmtheit erlangte: „Todesfuge“. Celan hat es geschrieben unter dem unmittelbaren Eindruck der Ermordung seiner Eltern durch die Nationalsozialisten. Das Gedicht gilt als eines der frühesten literarischen Zeugnisse im Angesicht der Shoah. Jetzt hat Thomas Sparr diesem Gedicht ein ganzes Buch gewidmet. Am Mittwoch, den 7. Oktober 2020 wird er es um 19 Uhr im Franz Hitze Haus (Kardinal-von-Galen-Ring 50) vorstellen: „Todesfuge. Biographie eines Gedichts“. Im Oscar Romero-Saal des FHH stehen 60 Plätze zur Verfügung.

Thomas Sparr, Jahrgang 1956, war nach dem Studium der Literaturwissenschaft und Philosophie in Marburg, Hamburg und Paris von 1986 bis 1989 an der Hebräischen Universität in Jerusalem tätig, anschließend im Deutschen Literaturarchiv in Marbach. Von 1990 bis 1998 leitete er den Jüdischen Verlag, war Cheflektor des Siedler Verlags und arbeitet heute als Editor-at-Large im Berliner Suhrkamp Verlag. Zuletzt erschien von ihm »Grunewald im Orient. Das deutsch-jüdische Jerusalem«.

Sparr zeichnet die Geschichte der „Todesfuge“ nach, die wie kein zweites deutschsprachiges Gedicht in der Nachkriegszeit eine ganze Epoche ins Bild setzt und eine enorme, bis heute andauernde internationale Wirkungsgeschichte entfaltet. Zeilen wie diese sind so verstörend wie unvergesslich geblieben: „Er ruft spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland / er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft / dann habt ihr eine Grab in den Wolken da liegt man nicht eng.“ Sparr spannt den Bogen von der Entstehung des Gedichts über seine zunächst kontroverse Aufnahme in den 1950er Jahren bis hin zu den Literaten und Künstlern, die sich bis in unsere Tage davon inspirieren lassen. Mitte der der 60er war Paul Celan zwei Mal auch als Nobelpreisträger im Gespräch. Aber damals vertrat die schwedische Akademie den Standpunkt, Celan könne nicht den Anspruch auf eine „hohe internationale Auszeichnung“ erheben. Thomas Sparr erklärt diese Geringschätzung auch mit der sehr ungeschickten Übersetzung der „Todesfuge“ in Schwedische: Statt „schwarze Milch der Frühe“ hieß es da in der ersten Zeile (wörtlich rückübersetzt): „schwarze Morgenmilch“. Den Nobelpreis 1966 erhielten dann Samuel Joseph Agnon und (die mit Celan „schwierig“ befreundete) Nelly Sachs. Die Kritikerin Maria Ossowski im SWR 2 hebt hervor, dass Sparr das Gedicht mit neuen Perspektiven umgebe, ohne ihm durch germanistische Analyse seine Kraft zu nehmen: „Er erzählt ein Stück Weltliteratur biografisch und persönlich. Eine imminent wichtige Arbeit, denn die Bilder der ‚Todesfuge‘ werden auch kommende Generationen beschäftigen.“