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Tanguy Viel

Michael Kleebergs „Vaterjahre“, Ulla Hahns „Spiel der Zeit“, Lutz Seilers „Kruso“ – drei großartige und großformatige Romane über deutsche Lebensläufe, mehr oder weniger autobiographisch grundiert. Aber es geht auch ganz anders, und es geht auch viel kürzer, und es geht auch viel witziger. Zum Beispiel in einem Roman über einen französischen Schriftsteller, der endlich erfolgreich sein will und deswegen „the great american novel“, den großen amerikanischen Roman schreiben will.

Am Dienstag, den 11. November 2014 wird um 20 Uhr im Lesesaal der Stadtbücherei Tanguy Viel aus seinem Roman „Das Verschwinden des Jim Sullivan“ lesen. Dies neue Buch des 1973 geborenen bretonisch-französische Schriftstellers Tanguy Viel ist allerfeinste Literatur-Literatur, ein Roman hinter dem Roman, zugleich eine hochkomische, sehr unterhaltsame Parodie und eine Hommage an den amerikanischen Roman. Und er ist ganze 128 Seiten „stark“. Viel wird begleitet von seinem vielfach ausgezeichneten Übersetzer Hinrich Schmidt-Henkel, der seit 1987 literarische Texte, Prosa, Gedichte und Theaterstücke aus dem Französischen, Norwegischen und Italienischen übersetzt.

Viels Held, Dwayne Koster,ist ein amerikanischer Literaturprofessor um die fünfzig. Er lebt in der verrottenden Autostadt Detroit (der passend depressiven Kulisse für seine große Krise), er ist geschieden, hat ein Techtelmechtel mit einer unglaublich jungen Studentin, und seine Exfrau Susan hat sich ausgerechnet mit seinem größten Widersacher eingelassen.

Der Erzähler ist ein französischer Autor, der einen Roman nach amerikanischem Vorbild schreiben will, um endlich berühmt zu werden. Was fehlt ihm also noch, diesem Dwayne in der Midlifecrisis, zum amerikanischen Romanhelden? Eine klare zeitgenössische Verankerung (der Tod Kennedys, der 11. September, der Irakkrieg), ein Hang zum Alkohol und zum Glücksspiel, endlose Highways, die passende Filmmusik und maskuline Selbsterfahrung in freier Natur. Doch während der Erzähler sich selbst beim Erfinden eines Romans zuschaut, muss er erleben, wie seine Figuren lebendig werden und sich auf und davon machen. Wie in einem gekrümmten Spiegel reflektiert dieser intelligente und sehr komische Roman sich selbst, er dehnt und verzerrt, quetscht und überzeichnet. Virtuos und höchst unterhaltsam bespielt Tanguy Viel seine parodistische Klaviatur. Der Roman, so Matthias Hennig in der Neuen Zürcher Zeitung, „zaubert eine perfekte Simulation aus dem Hut und stellt diese Simulation von Anfang an aus, ohne dass das Spiel der Verführung aufhören würde zu funktionieren.“