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Olga Grjasnowa

Es ist das erfolgreichste literarische Debüt dieses Frühjahrs, und kaum einmal – so ist es vom Verlag zu hören – habe es für ein „junges“ Buch eine solche Anzahl von Lesungsanfragen gegeben; Anfang März hat es sich auf der SWF-Bestenliste platziert. Auf Einladung des Literaturvereins Münster wird am Mittwoch, den 28. März Olga Grjasnowa um 20 Uhr im Lesesaal der Stadtbücherei aus ihrem Roman lesen, dessen Titel ein Zitat von Anton Tschechow variiert: „Der Russe ist einer, der Birken liebt“. Es ist eine Veranstaltung, die unterstützt wird aus Mitteln des Förderprogramms der Robert Bosch Stiftung.

Olga Grjasnowa ist 1984 in Baku, Aserbeidschan, geboren, ist im Kaukasus aufgewachsen und 1996 zusammen mit dem russischen Vater und der jüdischen Mutter nach Deutschland gekommen. Sie hat in Göttingen Kunstgeschichte studiert, ist Absolventin des Deutschen Literaturinstituts Leipzig und studiert heute – nach längeren Auslandsaufenthalten in Polen, Russland und Israel – Tanzwissenschaften an der Freien Universität Berlin. Und sie ist so vielsprachig wie ihre Heldin Maria – „Mascha“ – Kogan, die einen Beruf als UN-Dolmetscherin anstrebt. Mascha in Deutschland ist zunächst buchstäblich „sprachlos“, aber sie kompensiert ihre Isolation mit einem fast verbissenen Lerneifer. In einem Interview mit der österreichischen Zeitung „Der Standard“ hat Olga Grjasnowa die Nähe und Ferne zu ihrer Hauptfigur so bestimmt: „Die einzige Gemeinsamkeit ist: Die Romanfigur kommt wie ich aus Aserbaidschan. Sie nimmt, was ihr gerade in den Kram passt und für ihre Karriere sinnvoll ist. Und das spielt sie dann aus. In Israel ist es praktisch, dass sie Jüdin ist, aber in den besetzten Gebieten würde sie das eher nicht erwähnen.“ Maschas Lebensplanung verliert den Boden unter den Füßen, als ihr Freund Elias nach einer Fußballverletzung stirbt, ein Schock, der in Mascha traumatische Erinnerungen an die Pogrome von Bergkarabach in den späten 80er, frühen 90er Jahren wieder wach ruft. Sie flieht nach Israel.

Olga Grjasnowa erklärt in dem besagten Interview, zuerst stehe das Trauma eher im Hintergrund und Mascha habe viel Lebenskraft: „Dann werden aber ihre Panikattacken immer stärker und bestimmen ihren Alltag. Erst am Schluss bittet sie das erste Mal um Hilfe: Alles scheint ihr aussichtslos, sie weiß nicht, wo sie ist. Jedes Mal, wenn sie glaubt, Elias zu sehen, kommen die Erinnerungen an die Pogrome in Baku zurück. Sie kann die Dinge nicht mehr auseinanderhalten, das ist Teil der posttraumatischen Belastungsstörung. Um die Erinnerung an Elias wachzuhalten, schläft sie mit vielen Menschen, mit Männern wie Frauen.“ Olga Grjasnowa hat einen eigenmächtigen Roman geschrieben, „körpernah“ und „weltweit“, mit rasanten filmischen Schnitten und reich an sprachlichen Registern.