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Pauline de Bok
Ende letzten Jahres hat sich der niederländische Schriftsteller Cees Nooteboom als Gast der nordrhein-westfälischen Landesregierung für ein paar Monate in Berlin aufgehalten. Beobachtungen und Reflexionen aus dieser Zeit bilden den dritten Teil seiner Aufzeichnungen „Berlin 1989 / 2009", die soeben erschienen sind. Es gebe Bücher, schreibt Nooteboom, „die genau im richtigen Augenblick ihre Leser finden“. Konkret bezieht er sich auf das Buch einer niederländischen Kollegin. Am Dienstag, den 1.Dezember wird um 20 Uhr im Lesesaal der Stadtbücherei die 1956 geborene Pauline de Bok daraus lesen: „Blankow oder Das Verlangen nach Heimat“. Es dürfte eines der eigensinnigsten und berührendsten „Heim-Weh“-Bücher der letzten Jahre sein.Die Autorin erzählt von ihrem Aufenthalt in einem abgelegenen und schaurig heruntergekommenen Bauernhaus, das in einem leicht fiktionalisierten Blankow in Mecklenburg-Vorpommern liegt. Sie verknüpft die Geschichte und Gegenwart der Einheimischen, auf die sie trifft, mit dem risikobereiten Selbsterfahrungsexperiment einer Frau, die wissen will, „was passiert, wenn ich monatelang allein lebe.“ Zögernd geht de Bok auf die misstrauischen Mecklenburger und ebenso verhalten beginnen diese sich zu öffnen. Der Leser wird mittelbar zum Ohrenzeugen einer „mündlichen“ Geschichte von unten. Das Dritte Reich, die DDR, die Wende, die Nachwendezeit – das alles gespiegelt in Berichten und Dokumenten einfacher Menschen: Täter, Opfer, Zeugen. Cees Nooteboom hat schon recht: „Wer etwas von der DDR und der deutschen Geschichte verstehen will, der kommt nicht um dieses Buch herum.“ Fast noch mehr als der Stoff fesselt die scheue Empfindsamkeit, mit der die niederländische Fremde nicht nur das Land und seine Bewohner mustert, sondern sogar die Gegenstände: „Den Moment des Eintretens in diese Welt empfinde ich wie einen seltsamen Verstoß. Ich störe das planlose Dasein der Dinge.“ Es verdient alle Bewunderung, wie Pauline de Bok die Intimität eines Tagebuchs zu verbinden weiß mit dem offenen Interesse dafür, „wie sich Menschen, die eines Tages irgendwo auf der Welt geboren werden, sich mit dieser Gebundenheit an Zeit, Ort, Umwelt, Familie und Genotyp durchs Leben schlagen. Und wie jeder für sich keine andere Wahl hat, als sich mit dem Schicksal zu versöhnen.“