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Anja Kampmann

Als vor zwei Jahren unter dem Titel „Proben von Licht und Stein“ Anja Kampmanns erster Gedichtband erschien, befand die Süddeutsche Zeitung, dass es der Autorin um „um eine Art Gedächtnis-Arbeit“ gehe, bei der "stufenweise Geschichte aufgeblättert" werde. Anfang dieses Jahres hat die 1983 in Hamburg geborene, heute in Leipzig lebende Autorin ihren ersten Roman veröffentlicht, der „sofort“ für den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie „Belletristik“ nominiert wurde. Am Mittwoch, den 2. Mai 2018 wird Anja Kampmann um 20 Uhr im Lesesaal der Stadtbücherei aus ihrem Roman Wie hoch die Wellen schlagen lesen.

Anja Kampmann wurde 1983 in Hamburg geboren. Sie studierte an der Universität Hamburg und am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Im Jahr 2013 wurde sie mit dem MDR Literaturpreis und 2015 mit dem Wolfgang Weyrauch-Förderpreis ausgezeichnet. Seit 2011 ist sie mit einer Promotion über Musikalität und Stille im Werk von Samuel Beckett befasst. In Leipzig gründete sie gemeinsam mit dem Verein „forma“ die Veranstaltungsreihe „Tektonik“ für Lyrik und Neue Musik; auch arbeitet sie mit bildenden Künstlern zusammen.

Anja Kampmann hat ihrem Roman ein gleichsam programmatisches Motto aus Arthur Millers Drama „Tod eines Handlungsreisenden“ vorangestellt: „There’s a new continent at your doorstep, William“ („Es liegt ein neuer Kontinent vor Deiner Haustür“). Die Hauptfigur ist ein Wenzel Groszak. Er ist Ölbohrarbeiter auf einer Plattform mitten im Meer. In einer stürmischen Nacht verliert er seinen einzigen Freund. Nach dessen Tod reist Wenzel nach Ungarn, bringt dessen Hinterlassenschaften zur Familie. Und jetzt? Soll er zurück auf eine Plattform? Vor der westafrikanischen Küste wird er seine Arbeitskleider wegwerfen, wird über Malta und Italien aufbrechen nach Norden, in ein erloschenes Ruhrgebiet, seine frühere Heimat. Und je näher er seiner großen Liebe Milena kommt, desto fraglicher scheint ihm, ob er noch aus einer bodenlosen Arbeitswelt zurückzufinden kann ins eigene Leben. Anja Kampmann steht auf eine höchst eigenwillige Weise in der Tradition eines Romantikers wie Novalis, der „dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen“ gegeben hat: Kühne Metaphern und Vergleiche dienen ihr nicht nur zur Veranschaulichung, sondern auch zur Potenzierung des Erzählten.

Auf die Frage, was beim Schreiben eines Romans anders sei als beim Schreiben von Gedichten, hat Anja Kampmann gesagt, Gedichte schreibe man in einem anderen Modus, man sei viel mehr bei sich, und man könne sie nicht erzwingen. Dem Roman müsse man auf eine Art auch dienen, man denke in ganz anderen Zusammenhängen: „Was ich im Erzählen liebe, ist, bei den Figuren zu bleiben, sie reden zu lassen, und eben auch die Möglichkeit, auf verschiedenen Ebenen zugleich zu erzählen. Natürlich ist es die Geschichte von einem Ölbohrarbeiter, aber es ist auch die Geschichte von einem Verlust und von einer Erfahrung, die viele kennen: Fremd sein, für lange Zeit an einen anderen Ort versetzt werden und dabei den Boden unter den Füßen verlieren. Nur ist es hier natürlich viel extremer. Aber das ist es ja: Wir gehen in eine völlig andere Welt und sprechen doch über unsere.“

Paul Jandl in der Neuen Zürcher Zeitung, „Wie hoch die Wellen steigen“ sei ein mit enormer erzählerischer Umsicht geschriebener und herzergreifend unsentimentaler Roman über die Weite, die zwischen dem Ich und der Welt liegt:Er handelt davon, wie wir ausziehen und niemals mehr nach Hause finden.